Das Bundesland Bayern sieht sich als modernen Staat. Zu einem modernen Land gehört aber auch, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, ohne dass ihnen schwer oder gar unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen. Und wer kennt sie nicht, die hohen Bordsteinkanten, die steilen Treppenstufen oder Eingangstüren, die einem das Leben schwer machen können – gerade wenn nicht alles so geht wie es sollte.
Trotz heftigen Regens waren ein Dutzend Interessierte zum Rundgang mit Rollstuhl und Rollator durch Forstinning erschienen. Erfreulicherweise waren alle drei Bürgermeister und Fraktionen des Gemeinderates vertreten. Kurz nach 10:00 Uhr hatte der Himmel ein Einsehen und schloss für eineinhalb Stunden seine Schleusen. Das war Zeit genug, um wichtige Erfahrungen zu sammeln. An vorderster Stelle: Rollstuhlfahrer brauchen glattes Pflaster, am besten fugenfrei verlegt. Hier gibt es an mehreren Stellen Nachbesserungsbedarf. Kopfsteinpflaster sind für Rollstuhlfahrer und die, die Rollstühle schieben, sehr anstrengend. Bei Rollkies bleibt man sogar mit dem Rollator stecken. Viele Geschäfte sind ebenerdig zu erreichen, Schule und Rathaus verfügen über eine Rampe, die den Zugang zum Erdgeschoß problemfrei ermöglicht. Unter dem Aspekt der Barrierefreiheit stechen die abgesenkten Bürgersteige im Ortszentrum positiv heraus. Der MVV-Bus durch Forstinning ist rollstuhlgerecht ausgelegt, nicht aber der Bus des Regionalverkehrs.
Eine Blindensimulationsbrille ließ die Welt in groben farbigen Schatten erscheinen. Das Überqueren der Straße nach Gehör ist eine große Herausforderung. Fazit des Spaziergangs für Christine Reichl-Gumz, Dritte Bürgermeisterin und SPD-Vorsitzende von Forstinning: „Bei allen Maßnahmen im öffentlichen Bereich muss die Frage der Barrierefreiheit mitgedacht werden. Und bei allen Maßnahmen ist eine fachgerechte Beratung unverzichtbar.“ Das Ziel der Barrierefreiheit ist mit Kosten verbunden. Ein Teilnehmer zeigte auf, dass für die Parkplatzgestaltung Geld flüssig war, aber die Rollstuhlgerechte Gestaltung der Wege vergessen wurde. Das unmittelbare Erlebnis der teilweise unnötigen Barrieren sollte dazu beitragen, dass der Gedanke der Barrierefreiheit in den Köpfen alle verankert wird.